Glück ist für mich....
einfach „sein“
Ursprünglich komme ich ja nicht von einem Bauernhof und bin somit eine „Zuagroaste“, eine „Quereinsteigerin“ ….Da löst man sowieso schon Alarm aus.
Umso mehr hat mich dann der Umstand geprägt, dass alle um mich herum genau wussten, wie man als Bäuerin zu sein hat, was sich gehört und was nicht, was man zu tun hat und was gar nicht geht – alle kamen mit ganz genauen Vorstellungen, nur ich hatte keine.
Und man ist natürlich nur etwas wert, wenn wann 48 Stunden an einem Tag arbeiten kann, Haus und Hof mit einem Lächeln im Gesicht im Griff hat und dann noch nebenbei im Dirndlkleid am Dorffest steht und fleißig selbstgemachte Krapfen & Co unter die Leute bringt. Ist eh klar, eigentlich. Solche und ähnliche Geschichten wurden mir auch oft erzöhlt.
Nur - ich kann keine Krapfen backen, und so muss das Dorffest ohne mich stattfinden.
Und wie oft habe ich gehört, wie GLÜCKLICH ich doch jetzt sein muss als Bäuerin, dieser Hof, die Tiere,.... hast du ein GLÜCK, was willst du MEHR?
Doch was ist GLÜCK, was heißt MEHR?
Andere wissen oft ganz genau, was wir brauchen um glücklich zu sein, sei es die perfekte Ehe, viele brave Kinder, der jährliche Urlaub, das schöne Haus, das neue Auto,...aber ist es das, was uns wirklich glücklich macht?
Mehr, und was ist mehr, warum mehr? Ist das nicht sehr oft mit mehr Leistung, mehr materiellen Besitz verbunden? Alles muss immer besser werden, schneller, größer, lukrativer – frei nach dem Motto, wachse oder weiche.
Gerade in der Landwirtschaft ist das ein ernstes Thema. Ein größerer Stall, mehr Tiere, neue Pachtflächen, dazu die
passenden Maschinen, schließlich muss man die Mehrarbeit ja irgendwie bewältigen können. Aber bleibt wirklich mehr? Vorallem. bleibt noch ein Leben?
Wir wissen zwar alle, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen können, aber wir haben verlernt, einfach zu
leben.
Und ich fragte mich oft: „Na, wo ist denn dieses Glück, von dem alle reden?"
Eigentlich ist es ganz leicht zu finden, aber wir suchen es überall anders, nur nicht bei uns selbst.
mehr leben
Ich glaube, es ist eine große Sehnsucht von uns Menschen, dass das Leben, dass wir hier leben, in Beziehung gebracht wird zu etwas das nicht ausgesprochen werden kann. Man spürt, dass da noch etwas ist, aber man kann es nicht definieren, nicht zuordnen, nicht benennen. Und trotzdem, obwohl wir es nicht in Worte fassen können, es nicht ausdrücken können, ist es da.
Und ich glaube auch, das dies die eigentliche Definition von Glück ist.
Nämlich einfach zu „sein“,
Wenn ich selbst sein kann, bei mir sein kann, ich dieses „Ich“ zu spüren kann, welches eigentlich keinen Veränderungen
unterworfen ist, sondern einfach "ist". Wir werden älter, weiser, reifer, aber trotzdem bleibt ein Teil in uns, den wir zwar nicht kennen aber spüren, immer gleich.
Vor Kurzem habe ich zu einer Freundin gesagt „Du bist“ - einfach „du bist – du bist einfach du“
Ich kenne sie schon einige Jahre, sie hat sich auch verändert, nicht nur äußerlich – ist anders als vor 10 Jahren, aber trotzdem – Ich kann sagen wie sie aussieht, beschreiben wie sie lacht, wie sie denkt, aber was sie zu dem macht, was sie "IST", das kann ich nicht in Worte fassen.
Deshalb sollten wir die Menschen um uns herum nicht beurteilen oder analysieren, sondern einfach annehmen wie sie sind.
Mit diesem ganz besonderen Geheimnis, dass uns alle eigentlich ausmacht ohne zu bewerten ob richtig oder falsch, gut oder schlecht. Es geht um das Vertrauen gegenüber dem Andern, dem Fremden,
vorallem aber um das Vertrauen in sich selbst.
Nein, Ich bin keine Bäuerin aus dem Bilderbuch...
ich war es nie und werde es auch nie werden!
Im Moment trage ich lieber zerrissene Jeans als Dirndlkleid, male lieber Bilder als mich erfolglos im Krapfenbacken zu
versuchen.
Dieses „im hier und jetzt ankommen", zufrieden sein mit dem was man ist und was man hat, das ist für mich Glück. Einfach
das Leben annehmen wie es ist. Denn wer sich für das Leben entscheidet , spürt auch diese Lebendigkeit.
Und wo mehr Freude, mehr Frieden, mehr Erfüllung ist, ist einfach gesagt auch MEHR Leben.
Aber eben in anderer Weise, fernab von alten Denkmustern! Ich liebe die Arbeit mit den Tieren, den Gästen und der Natur. Aber Ich genieße den Garten auch einmal mit Nichtstun, einfach auf einer Bank sitzend.
Auch wenn ich dann feststelle, dass ich den Garten mit Schnecken und anderem Getier teilen muss.
Vielleicht bedeutet Glück auch, wenigstens einen von zehn Kohlrabi zu ernten.
Wir sollen uns nicht leiten lassen von Menschen, die uns sagen wollen, wie wir zu sein haben oder was wir tun müssen, die über uns urteilen. Sondern wir sollen den Wert des eigenen Ichs erkennen und auch leben.
Denn wenn man das schafft, dann kann man auch diese kostbaren Glücksmomente erleben, sei es die Natur in all ihren Facetten, das Lachen eines Kindes, in einer Umarmung, mit einem guten Buch, einer Auszeit im Garten, einem schönen Sonnenaufgang, in einem netten Gespräch....
Aber dieses Dauerglück, von dem so viele reden und uns ständig in irgendwelchen Bildern vorgegaukelt wird, gibt es nicht. Durch das Streben nach diesem "Glück" werden so viele Menschen "unglücklich".
Sie können diese kleinen, so kostbaren Glücksmomente nicht mehr sehen, dabei sind es genau diese Augenblicke, die unser
Leben so besonders und einzigartig machen.
Hermann hesse - glück
Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz – und deine Seele ruht.
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